Yanneck Pack lebt in Ecuador und bloggt (auf Spanisch) auf ecuadorvegan@. Im folgenden Artikel berichtet er über über seine Erfahrungen mit sowie die kulinarische Vorbereitung für Ayahuasca Zeremonien in Ecuador. Außerdem verrät er auch zwei leckere Rezepte die er vor Ort entwickelt hat.
Die Ayahuasca-Diät
Bevor der Artikel beginnt möchte ich darauf hinweisen, dass die Kommerzialisierung auch vor den Zeremonien nicht haltmacht und es entsprechend viele schlechte Schamanen und sehr wenig gute gibt. Es ich habe bisher nur von zwei Schamanen in Ecuador gehört, die die Zeremonien für alle zugänglich und vor allem nicht des Geldes wegen anbieten. Eine gute Begleitung ist unerlässlich, da man nie weiß, was alles aus einem hervorbrechen kann. Seid vorsichtig bei solchen Dingen!
Ein riesiger schwarzer Vogel kommt auf mich zu. Ohne wirklich nachzudenken, springe ich auf seinen Rücken und wir fliegen hoch empor über die Wolken. Eine Stadt taucht unter uns auf, und plötzlich beginnt der Vogel, auseinanderzufallen. Nicht so, wie man es von einem Vogel erwartet hätte; es fallen keine Federn, kein Fleisch, kein Blut, keine Haut, sondern Maschinenteile. Schrauben, Zahnräder, Metallfedern, Aluminium. Ich bin wach, habe Macht über diese Vision, stelle mir den Vogel wieder ganz vor und er ist wieder ganz, zerfällt aber sofort wieder. Ich setze ihn zusammen, er zerfällt, mehrmals. Dann lasse ich es einfach geschehen und am Ende halte ich nur die drei ursprünglich gelben Kopffedern in der Hand, die nichts als Papier sind. Ich lasse sie davongleiten. Erstaunlicherweise falle ich nicht, sondern bleibe hier oben in der Schwebe, bis ich davonfliege zu einem anderen Ort.
Ich bin umgeben von Nestern, tausende Vögel sitzen dort entspannt vor sich hin, Raubvogel neben Insektenfressern neben Körnerfressern, in allen erdenklichen Farben und Formen. Ich staune und weiß, dass dies der Ort ist, an dem Pachamama alle Vögel der Welt bewahrt. Wieder kommt ein riesiger Vogel auf mich zu, dieses Mal komplett in grün, mit ihm werde ich durch den Wald fliegen. Ich springe auf, werde jedoch abgelenkt und als ich mich wieder der Vision widme, verwehrt mir der Gran Espíritu die Fortführung, stattdessen jagen Energiestöße schnell hintereinander durch meinen Körper und zerplatzen in meinem Kopf. Der Vogel bewegt sich nicht. Ich steige ab. Ein Nest mit einem Vogel kommt auf mich zu, er ist grün, mit schwarzen Ringen um die Augen, drei langen, gelben Kopffedern, einer roten Kehle und kurzem gelben Schnabel. Das ist der Vogel, der als nächstes geboren wird.
Erfahrungen
Das war die erste wirkliche Vision, die ich im Zuge der Zeremonien in Macas hatte. Wie bei allen weiteren war die Atmosphäre eher düster, ein wenig wie in einem guten Horrorfilm, dennoch hatte ich überhaupt keine Angst, im Gegenteil, ich war sehr neugierig. Bei derartigen Zeremonien und gerade wenn man Medizin wie Ayahuasca trinkt, ist es wichtig, Halluzinationen und Visionen einfach fließen zu lassen, sich ihnen nicht zu versperren, so furchterregend sie auch sein mögen.
Ayahuasca bezeichne ich selbst gerne als individuelle Medizin, einfach weil sie bei allen Personen anders wirkt. Es ist gleichzeitig auch eine spirituelle Medizin, weil sie neben der Krankheit selbst auch eine Ursache bekämpft, nämlich die geistigen Blockaden wie Ängste und Traumata. Je nach dem, wie sich diese gestalten, kann eine Zeremonie mit Ayahuasca sehr schmerzhaft werden. Eine Freundin von mir, welche eine ziemlich beschissene Kindheit hatte, wurde mit so vielen albtraumartigen Bildern (wohl Reproduktionen ihrer Erinnerungen) konfrontiert, dass sie automatisch anfing, gegen diese anzukämpfen. Damit überforderte sie sich und wurde ohnmächtig. Der Schamane hat sich dann um sie gekümmert und nach einer Zeit, in der sie das Gesehene aufarbeiten musste, geht es ihr heute wieder blendend. Das ist eigentlich die heftigste Reaktion, die ich bisher erlebt habe. Für mich waren die Zeremonien eher körperliche und spirituelle Reinigungen, wobei gleichzeitig auch ein noch deutlich länger währender Bewusstwerdungsprozess eingeleitet wurde. Man sagt, die Energie des Ayahuasca bleibe bis zu einem Jahr in deinem Körper.
Wirkung und Verlauf
Ayahuasca (Quetchua für „Strick des Todes“) an sich ist ein Sud, der beim Auskochen der gleichnamigen Liane und einer Pflanze namens Chacruna entsteht. Der Geschmack ist sehr bitter und absolut nicht angenehm, man muss nach dem Trinken erst einmal ein paar Minuten lang einen Kotzreflex bekämpfen. Anscheinend gibt es auch beim Ayahuasca eine Feinschmeckergilde, so wie der Gehilfe des Schamanen, bei dem ich war. Er konnte in der ersten Woche eine feine Note Kakao herausschmecken, in der zweiten Woche war es dann eher kaffee-artig, ohne dass Kaffee oder Kakao hinzugegeben worden waren. Wenn man sich wirklich darauf konzentriert, kann ich mir das schon vorstellen, aber primär ist das Zeug einfach eklig.
Die Wirkung setzt nach ungefähr 2 – 3 Stunden ein, bei manchen Menschen auch deutlich früher. Je nach dem, wo das Ayahuasca wirkt. Bei mir war es wohl erst im Darm, bei meiner Freundin gleich im Magen. Das Gefühl ist nicht beschreibbar, lediglich die enorme Naturverbundenheit und Sensibilität gegenüber den verschiedenen Energien um sich herum möchte ich einmal anmerken. Dazu gesellt sich dann eine beständige Übelkeit, die meistens zu einem Erbrechen führt. Dieses Erbrechen symbolisiert die Befreiung von etwas, was im eigenen Körper oder Geist Schaden anrichtete. Wenn man sich nicht übergibt, tritt nach mehreren Stunden (man verliert vorher das Zeitgefühl) noch einmal ein Effekt ein, der aber ganz und gar unbeschreiblich ist.
Die medizinische Wirkung ist erscheint mir enorm, auch wenn ich das nicht nach Krankheiten differenzieren kann. Meine Freundin hatte sehr starke Anämie, verbunden mit starken Schmerzen in Leber und Nieren und davon ausgelöst im Rücken und allen Muskeln, die sich bei Schmerzen verkrampfen. Es ging ihr nicht gut. Sie hat neben den Zeremonien auch noch Akupunktur bekommen. Es war wirklich erstaunlich und schön zu sehen, wie es ihr nach jeder der einzelnen Wochen deutlich besser ging.
Kulinarische Vorbereitung
Nun aber zum eigentlich für dieses Zine relevanten Teil. Das Essen. Als Vorbereitung auf die Zeremonien wird dringlichst geraten, mindestens ab einer Woche vorher eine bestimmte Diät einzuhalten, die während der Zeremonien noch einmal verschärft wird, um dann in der laxeren Form noch eine Woche nach der Zeremonie eingehalten zu werden. Diese dient zum einen der spirituellen Vorbereitung, zum anderen aber auch zum Schutz des Körpers, da Ayahuasca kein Müsliriegel ist und insbesondere den Verdauungstrakt sehr strapaziert. Die Liste verbotener Zutaten und Aktivitäten liest sich wie folgt:
Drogen aller Art (auch Zigaretten, Kaffee und Alkohol)
tierische Erzeugnisse
chemische Erzeugnisse (Konservierungsstoffe, Farbstoffe etc.)
Zitrusfrüchte
Essig
starke Gewürze (Zimt, Kümmel, Muskatnuss…)
scharfe Gewürze (Pfeffer, Chili, Ingwer)
Kakao, Schokolade
ungekeimte Hülsenfrüchte
Erdnüsse
roher Kohl
rohe Paprika
fettiges Essen
frittierte Speisen
runde Zwiebel & Knoblauch (Frühlingszwiebel & Schnittlauch sind okay)
Zucker (außer Rohrohrzucker, dort auch Panela genannt)
Süßspeisen
Soja
viel Salz
Sex
Generell kann man sagen, dass alles, was den Magen belastet, weggelassen werden soll. Das Sexverbot wird mit dem Energieverbrauch und der Störung der geistigen Konzentration begründet. Am Tage der ersten Zeremonie wird weiter eingeschränkt. Das Frühstück besteht dann meistens aus Früchten, wobei fermentierende wie Wassermelone immer getrennt von anderen gegessen werden. Ab 14 Uhr wird dann gar nichts mehr gegessen, wenn die Zeremonie so gegen 21 Uhr beginnt. Von dem Tage an wird auf wirklich alles verzichtet, was den Magen anstrengt, soll heißen die Liste erweitert sich um:
Gluten (Brot, Mehl etc.)
Hülsenfrüchte
saure Früchte (Ananas, Baumtomate)
Tomate
(Koch-) Bananen
Mittagessen enthalten dann meist nährstoffreiche Lebensmittel wie Quinoa, um mit wenig Essen viel aufzunehmen. Auch wenn selten länger als 4 Tage am Stück Zeremonien abgehalten werden, so kann durch das wiederholte Erbrechen und dem längeren Fasten am Nachmittag doch leichter Nährstoffmangel auftreten. Auch der Gewichtsverlust kann erschreckend sein.
Wie immer ist eine Liste verbotener Zutaten das schönste, was leidenschaftlichen Köch_innen passieren kann. Mit dem, was man da und erlaubt ist, etwas Leckeres zu machen, das ohne viele Gewürze – da freut sich die Kreativität, zumal man auch den ganzen Tag Zeit hat, zu kochen. Herausgekommen sind einige gut gelungene Rezepte, von denen ich zwei vorstellen möchte. Die Zutatenlisten sind über den Daumen kalkuliert, da ich sie aus dem Gedächtnis aufgeschrieben habe. Sollte aber gut hinhauen.
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- 1 Stück Kürbis
- 1 Rote Beete
- 2 große Möhren
- 1 Palmenherz
- 1 Kokosnuss
- 1 TL Kurkuma oder 1 Knolle frisches Kurkuma (das wächst da nämlich)
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Die Zubereitung ist denkbar einfach. Alles, was verwertbar ist (bis auf die Palmenherzen), mit wenig Wasser in einen Topf geben und weichkochen. Die Kokosnuss bekommt man am besten durch einen beherzten Wurf auf einen Stein geöffnet. Vorher sollte man allerdings eines der „drei Augen“ an einem Ende der Nuss mit einem spitzen Gegenstand öffnen und das Wasser herausfließen lassen. Danach kann man das Fleisch mit einem Messer von der Schale lösen, mit dem Kokoswasser und evtl. noch mehr Wasser in einen Mixer geben und ins Gemüse rühren. Damit hat man eigentlich auch genügend Flüssigkeit für die Suppe. Wenn alles weich ist ab in den Mixer, pürieren und nochmals aufkochen, dieses Mal mit dem geschnittenen Palmenherz. Wenn dieses frisch ist, ist es eigentlich so weich, dass man gar nicht lange kochen muss.
Wenn man sich gerade nicht auf eine Zeremonie vorbereitet, passt Ingwer ganz hervorragend dazu. Und Chili. Und Pfeffer.
Yucca-Schiffchen
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- 2 große Yucca
- 5 mittelgroße Kartoffeln
- 1 Tasse Quinoa
- 1 ½ Tassen Wasser
- 3 Hände Spinat
- 3 Blätter Mangold
- 1 Lauchzwiebel
- 1 große Möhre
- 1 TL Kurkuma
- 2 EL Sojasauce (möglichst ohne Zusatzstoffe)
- 1 Block Tofu
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Yucca und Kartoffeln werden zusammen gekocht, dann das Wasser abgegossen und zum Abkühlen stehengelassen. Nach ein paar Minuten kann man sie dann zu einer möglichst gleichmäßigen Masse verarbeiten (es überleben meist noch ein paar Yuccastückchen).
Die Quinoa wird mit der 1,5-fachen Menge Wasser gekocht und das Gemüse schön klein geschnitten. Wer weiß, wie man mit Wasser brät, kann Tofu, Möhre und Zwiebel anbraten, bevor Mangold und Spinat mit ein wenig Wasser dazugegeben werden. Wenn sowohl das Gemüse als auch der/die/das Quinoa fertig ist, einfach alles zusammen mit der Sojasauce und dem Kurkuma vermischen und fertig ist die Füllung.
Mit dem Kartoffel-Yucca-Teig kann man nun nach Wunsch Förmchen formen, die man mit der Füllung füllt, mit einem Teigdeckel deckelt und im Backofen backt, bis sie sich zu bräunen beginnen. Da alles schon gar gekocht ist, muss man sich aber keine Sorgen machen, wenn man es zu früh rausnimmt. Auch kann man einfach Kartoffel-Yucca-Püree mit Füllung als Beilage essen. Im Magen wird ja sowieso alles vermischt.
Hey Sarah!
Super interessanter Beitrag! Die Rezepte werd ich bald mal ausprobieren.
Ich fliege nächsten Monat auch nach Ecuador und wollte fragen ob du mir vielleicht den Kontakt von dem Schamanen geben kannst, der wie du sagst, das als einer der wenigen, authentisch und aus unkommerziellen Gründen macht?
Alles Liebe!
Mir geht es da genau so, fliege bereits in einer Woche. Kannst du mir bitte auch die beiden Kontakte mitteilen? Es ist leider so schwer etwas (Vertrauenswürdiges) du finden..
Hi Nicole, wie in der Einleitung erwähnt handelt es sich um einen Gastartikel. Für den Kontakt musst du Yannick von ecuadorvegan@ anschreiben. Ich bin selbst gerade in Chile und habe seine Mailadresse nicht zur Hand. Bestimmt wirst du auf seiner Website fündig: https://ecuadorvegano.wordpress.com